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Tilidin

Tilidin gehört neben Codein, Dihydrocodein und Tramadol zu den schwach wirksamen Opioiden und wird in Deutschland schon sehr lange und mit viel Erfahrung verordnet. Das mittelstarke Schmerzmedikament wurde 1967 patentiert und kam 1970 unter Valoron® als Monosubstanz auf den Arzneimittelmarkt. Tilidin selbst ist analgetisch kaum wirksam. Es wird im Körper in das wirksame Nortilidin umgewandelt. Der Wirkstoff kann bei dauerhaftem Gebrauch zur Abhängigkeit und zur Gewöhnung führen. Erfahren Sie mehr über das Schmerzmittel, seine möglichen Nebenwirkungen und über einen sicheren Umgang mit dem Medikament.

Was ist Tilidin?

Tilidin ist ein hoch wirksames Schmerzmittel mit höherer analgetischer Potenz als beispielsweise Aspirin oder Ibuprofen. Es gehört in die gleiche Gruppe von Schmerzmitteln wie auch Morphium – den Opioiden. Die Wirkstärke beträgt etwa ein Fünftel der Wirkstärke von Morphin. Tilidin hemmt die Schmerzwahrnehmung im Gehirn. Dadurch werden Schmerzen gelindert oder ganz unterdrückt.

Nicht-retardierte Tilidin-Präparate unterliegen daher dem Betäubungsmittelgesetz. Die Verschreibung von Tilidin ist personengebunden. Wer für sich selbst verschriebene Opiate oder Opioide an andere weitergibt oder gar weiterverkauft, macht sich strafbar.

Tilidin eignet sich besonders zur Behandlung chronischer Schmerzen. Im WHO-Stufenmodell zur Schmerzbehandlung findet sich Tilidin als mittelstarkes Opioid auf der Stufe 2. Das bedeutet, es wird empfohlen Tilidin zusammen mit Nichtopioiden, wie beispielsweise Ibuprofen, Paracetamol oder Metamizol und weiteren zusätzlichen Arzneimitteln zur Therapie von chronischen Schmerzen einzusetzen, wenn Nichtopioide allein nicht mehr ausreichen. Die Verbindung des schwachen Opioideffekt von Tilidin mit dem schmerzstillendem Effekt anderer Analgetika trägt dazu bei, den Schmerz besser zu behandeln als mit nur einem Medikament allein.

Wie wirkt Tilidin?

Das synthetisches Opioid Tilidin ist ein Prodrug. Das bedeutet, es hat selbst kaum opioidtypische Wirkungen und muss erst im Körper aktiviert werden. In der Leber angekommen wird Tilidin zu dem eigentlich wirksamen Opioid und weiteren Metaboliten abgebaut. Der wirksame Metabolit Nortilidin dockt im zentralen und peripheren Nervensystem an Opiatrezeptoren an und unterdrückt so die Schmerzwahrnehmung und Schmerzweiterleitung. Es ist zu beachten, dass es bei bestehenden Lebererkrankungen zu einem Wirkverlust kommen kann. Tilidin hat eine leicht sedierende Wirkung, die jedoch nicht so stark ausfällt wie bei einigen anderen Schmerzmitteln.

Der Wirkungseintritt

Nach welcher Zeit die Wirkung von Tilidin eintritt, hängt von der jeweiligen Einnahmeform und Dosierung ab. In Lösung oder als Injektion hat Tilidin eine schnelle Freisetzung des Wirkstoffs, was zu einem sofortigen Eintritt der Wirkung führt. In Tabletten- oder Kapselform hat es eine langsame Freisetzung des Wirkstoffs, die Wirkung hält also über mehrere Stunden an. Besonders lang ist die Wirkdauer von retardierten Tilidin-Präparaten (z.B. Retardtabletten), da der Wirkstoff durch eine spezielle Herstellungsweise des Präparates nach und nach freigesetzt wird.

Tilidin ist in verschiedenen Dosierungen erhältlich

Tilidin ist in verschiedenen Dosierungen verfügbar und kann oral oder durch Injektion/ Infusion verabreicht werden. Die empfohlene Dosis richtet sich unter anderem nach Schweregrad und Dauer der Schmerzen sowie nach Alter und Gesundheitszustand der/des Patient:in. Das Medikament sollte immer nach Anweisung des Arztes oder der Ärztin eingenommen werden.

Anwendungsbereiche von Tilidin

Tilidin ist ein starkes Schmerzmittel, das bei akuten und chronischen Schmerzen eingesetzt wird, wenn nicht-opioide Analgetika nicht ausreichend wirksam waren.

In Deutschland wird Tilidin zur Behandlung  von mittelstarken bis starken Schmerzen in Folge von Verletzungen, Verätzungen und Verbrennungen verordnet, bei Brustschmerzen wie bei einem Herzinfarkt oder Angina pectoris, bei Tumorschmerzen, Gallenkoliken und bei Neuralgien. Auch akute und chronische Schmerzzustände bei Knochen- und Gelenkerkrankungen (z.B. Arthrosen, Arthritiden, Rheumatische Erkrankungen, chronischer Rückenschmerz) werden mit Tilidin erfolgreich behandelt. Die breite Anwendung setzt sich fort bis zu Operationen einschließlich in der Zahn- und Kieferchirurgie sowie schmerzhaften Entzündungen. Chronischen Schmerzpatient:innen raten Ärzte und Ärztinnen Tilidinpräparate nach einem festen Zeitplan einzunehmen.

Arzneistoff auch für Kinder

Das niederpotente Opioid Tilidin ist auch für Kinder ab zwei Jahren zugelassen. Es wirkt analgetisch stärker als Paracetamol und zudem ermöglicht Tilidin in Form von Tropfen eine an Körpergewicht und Schmerzstärke angepasste Dosierung. Tilidin wird von Kindern gut vertragen. Bei älteren Kindern (ab 14 Jahren) kann retardiertes Tilidin/Naloxon in Form von Tabletten verabreicht werden. Grundsätzlich sollte immer die kleinste wirksame Dosis gewählt werden.

Nebenwirkungen von Tilidin

Zu den Nebenwirkungen von Tilidin gehören Schläfrigkeit, Benommenheit, Übelkeit und Erbrechen sowie Magenschmerzen und Kopfschmerzen. Weitere mögliche Nebenwirkungen sind Atemdepression (Atemstillstand), Verstopfung, Durchfall und Mundtrockenheit. Wenn Sie Symptome einer Nebenwirkung bei sich bemerken, informieren Sie sofort Ihren Arzt oder Apotheker.

Gefahr der Abhängigkeit besteht

Eines der größten Risiken bei der Einnahme von Tilidin ist die Gefahr einer Abhängigkeit oder Suchterkrankung, die womöglich nur in einer zertifizierten Suchtklinik adäquat behandelt werden kann. Psychotrope Effekte wie beispielsweise Euphorie werden bei Präparaten mit verzögerter Wirkstofffreisetzung, da keine hohen Wirkstoffkonzentrationen  vorliegen, vermieden. Daher sollten in einer Langzeitbehandlung nie unretardierte, kurzwirksame Tilidin-Präparate zur Anwendung kommen. Aus diesem Grund sollte man sich im Vorfeld gemeinsam mit dem Arzt/ der Ärztin über die Anwendung des Medikaments informieren und nur nach Anweisung dosieren.

Weitere Nebenwirkungen

Es besteht die Möglichkeit, dass es zu einer Bewusstseinstrübung und Verwirrtheit kommt. Auch Übelkeit und Erbrechen können bei der Einnahme von Tilidin auftreten. Bei einigen Patient:innen kommt es zu Schmerzen im Bauchraum. Diese können über mehrere Tage andauern.

Das Schmerzmittel mit Suchtgefahr kann gefährlich werden

Schließlich ist es wichtig zu beachten, dass der Wirkstoff bei bestimmten Erkrankungen gefährlich sein kann. Zum Beispiel das Schmerzmittel es bei schwerem Asthma nicht empfohlen, da es den Zustand verschlechtern kann.

Suchtmittel in der Rapper Szene

Jugendliche in der Rap Szene neigen aufgrund der Songtexte ihrer Idole dazu, das Medikament als Droge zu missbrauchen. Seit 2018, nachdem der Rapper Capital Bra den Song Tilidin herausbrachte, sind den Daten den gesetzlichen Krankenkassen zufolge, die Verschreibungen von Tabletten und Tilidin Tropfen bei den 15- bis 20-Jährigen rasant gestiegen. Das Missbrauchspotential wird von Jugendlichen häufig unterschätzt und das Betäubungsmittel unkontrolliert eingenommen. Die schmerzstillende Wirkung kommt in Verbindung mit Schlafstörungen und Gewichtsverlust. Der Rapper Capital Bra spricht mittlerweile offen über seine eigene Sucht und warnt vor dem Medikament.

Die Tilidin/Naloxon-Kombi

Um Missbrauch vorzubeugen, wird Tilidin in Deutschland mit Naloxon vertrieben. Naloxon ist ein Opioid-Rezeptorantagonist. Nach oraler Einnahme der Wirkstoffkombination wird Naloxon in der Leber schnell inaktiviert (First-Pass-Effekt), während Tilidin als Prodrug in das analgetisch wirksame Nortilidin umgewandelt wird. Werden Naloxon-haltige Präparate jedoch direkt ins Blut verabreicht (Infusion oder Injektion), setzt die antagonisierende Wirkung des Naloxons ein – die Wirkung einer zu hohen Dosis Tilidin wird dadurch gehemmt. Nur Kombinationspräparate in festen Zubereitungen mit verzögerter Wirkstofffreigabe unterliegen nicht dem Betäubungsmittelgesetz (BtMG).

Günstiges Nutzen-Risiko-Profil

Obwohl auch die beschriebene Kombination von Tilidin mit Naloxon Nebenwirkungen haben kann, bietet sie ein günstiges Nutzen-Risiko-Profil. Im Vergleich zu anderen starken Opioiden tritt hier fast keine Verstopfung auf. Untersuchungen zur Eignung von Tilidin/Naloxon als Langzeittherapeutikum zeigten, dass nur selten eine Dosiserhöhung notwendig ist. Weiterhin bringt die Wirkstoffkombination für ältere, multimorbide Menschen Vorteile im Gegensatz zu Morphin mit sich. Eine Dosisanpassung bei vorliegender Nierenerkrankung ist normalerweise nicht notwendig.

Risiken und Wechselwirkungen der Behandlung mit Tilidin

Die Behandlung mit Tilidin birgt einige Risiken. Besonders bei bestehender Abhängigkeit sollte die Einnahme der Kombination mit Naloxon strikt vermieden werden. Da der Opioid-Antagonist die Wirkung von Opioiden durch deren Verdrängung von den Rezeptoren aufheben kann, wären schwerwiegende Entzugserscheinungen die Folge.

Das Risiko für schwerwiegende gesundheitliche Probleme erhöht sich stark, wenn Tilidin über lange Zeit falsch angewendet wird oder in Kombination mit anderen Medikamenten eingenommen wird. Dazu gehören vor allem Leberschäden. Daher ist es besonders wichtig den Rat des Arztes oder der Ärztin zu Tilidin zu beachten um dieses Risiko zu vermeiden.

Interaktion mit anderen Arzneistoffen

Es sollte beachtet werden, dass das Schmerzmittel Tilidin mit bestimmten anderen Medikamenten die das serotonerge System beeinflussen, interagiert. Das serotonerge System gilt als effektiver Angriffspunkt von Depression und Zwangsstörungen. Insbesondere gehören Medikamente gegen Migräneanfälle (Triptane) und bestimmte Antidepressiva (u.a. MAO-Hemmer, SSRI, SNRI, trizyklische Antidepressiva) zu den Medikamenten, die bei gleichzeitiger Gabe einen potenziell lebensbedrohlichen Zustand hervorrufen können. Eine Kombination dieser Medikamente sollte unbedingt vermieden werden!

Tilidin und Alkohol

Alkohol kann die Wirkung von Tilidin verstärken und zu Atemstillstand führen. Das Schmerzmittel sollte daher nicht zusammen mit Alkohol eingenommen werden. Weiterhin kann der Wirkstoff die Aufmerksamkeit und das Reaktionsvermögen beeinträchtigen, daher sollte nie ohne Rücksprache mit dem Arzt/ der Ärztin Auto gefahren oder anderweitig aktiv am Straßenverkehr teilgenommen werden.

Kontraindikationen – Wann darf Tilidin nicht eingenommen werden?

Tilidin darf nicht eingenommen werden, wenn eines der folgenden Kriterien vorliegt:

  • Allergische Reaktion oder Überempfindlichkeit auf Tilidin
  • Abhängigkeit von Opiaten/ Opioiden
  • Andere Abhängigkeitserkrankungen
  • Angeborene Stoffwechselerkrankung (Porphyrie)
  • Lebererkrankung
  • Schwangerschaft
  • Stillzeit
Health of a pregnant woman and a baby. Female doctor conducts checkup of happy joyful smiling pregnant mixed race woman, listening to baby’s heartbeat using stethoscope, sitting on sofa in living room

Kurzzusammenfassung

Auf Verordnung eines Arztes/ einer Ärztin kann eine Behandlung mit Tilidin angezeigt sein. Tilidin bietet ein günstiges Nutzen-Risiko-Profil und kann sowohl Kindern, Erwachsenen als auch alten Menschen verordnet werden. Häufig ist es möglich, mit Tilidin die Verordnung starker Opioide, die oft schwere Nebenwirkungen haben, zu vermeiden. Allerdings kann Tilidin auch zu beträchtlichen gesundheitlichen Problemen führen, wenn es zu lange, falsch und unkontrolliert eingenommen wird. Die Entwicklung einer psychischen Abhängigkeit ist groß, wenn ein kurzwirksames (nicht-retardiertes) Tilidinpräparat zur Behandlung nach Bedarf eingesetzt wird. Die Schmerztoleranz wird geringer und der Bedarf, die Medizin erneut einzunehmen steigt. Eine angemessene Dosis nach festem Zeitplan minimiert dieses Risiko stark. Die Einnahme von Tilidin sollte immer nach Anweisung des Arztes oder der Ärztin erfolgen.

Wissen zum Mitnehmen: Tilidin

  • rezeptpflichtig
  • stark wirksames Schmerzmittel
  • macht häufig müde und benommen
  • Auto fahren nur nach Rücksprache mit dem Arzt/der Ärztin
  • nicht zusammen mit Alkohol einnehmen
  • Missbrauchspotential

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